Oberharzer Wasserregal: Ökostrom aus frühneuzeitlichem Kraftwerk

By | 13. August 2009

Im Harz bemüht man sich derzeit um den Weltkulturerbestatus für das „Oberharzer Wasserregal“. Doch seit die ab dem 15. Jahrhundert entstandenen Anlagen vor rund 30 Jahren außer Betrieb genommen wurden, hat sich ihr Zustand deutlich verschlechtert. Ein Experte der Universität Bonn schlägt daher vor, das ausgeklügelte System aus Gräben und Auffangbecken zu reaktivieren. Der so gewonnene Strom könnte einige Millionen Euro jährlich einbringen – mehr als genug, um die Instandhaltung der Anlagen zu finanzieren.
Wasserrad zur Nutzung der Wasserkraft Der Regen, der über dem Brocken niedergeht, war früher zwar kein Gold, aber doch immerhin Silber wert. Schon im Mittelalter bauten die Menschen im Harz das dort reichlich vorhandene Edelmetall ab. Dabei stießen sie recht schnell auf ein Problem, das auch heutige Bergleute noch beschäftigt: Die Trockenhaltung der Grubenbauten.
Ursache ist das so genannte Kluftwasser, das aus dem umgebenden Gestein in die Stollen strömt – je tiefer, desto mehr. Die Harzer Bergleute trieben den Teufel schließlich mit dem Beelzebub aus: Sie nutzten das Regenwasser zum Antrieb von Pumpen, mit denen sie dann ihre Gruben entwässerten. Um Clausthal und Zellerfeld setzte man also schon vor mehr als 500 Jahren auf regenerative Energie.
Entwässerung mit Wasserkraft
Und das ziemlich effizient: „Drei Viertel aller Regentropfen, die über der wasserwirtschaftlich genutzten Fläche des Harzes niedergingen, wurden zur Trockenlegung der Stollen und zum Betrieb der Bergwerke verwandt“, betont Peter Welke. Der Lehrbeauftragte der Universität Bonn beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dieser Nutzung der Wasserkraft. Leider ist das ausgeklügelte System aus Gräben und Auffangbecken heute in einem schlechten Zustand. Das ist besonders schade, weil sich die Region momentan um den Weltkulturerbestatus für das „Oberharzer Wasserregal“ bemüht.
Dennoch sei es sehr wohl möglich, die Anlage wieder betriebsfähig zu machen, meint Welke. Der gelernte Physiker und Absolvent der früheren Bergakademie Clausthal hat sogar ausgerechnet, wie viel Strom das uralte Wasserkraftwerk liefern könnte: „Bei den augenblicklichen Preisen ließen sich damit Erlöse von mehreren Millionen Euro jährlich erzielen. Das ist mehr als genug, um die Instandhaltung zu finanzieren.“ Auch Professor Dr. Winfried Schenk vom Geographischen Institut der Universität Bonn plädiert dafür, das einmalige Kulturdenkmal wieder herzurichten: „Warum sollte eine Anlage, die 500 Jahre lang zur Energieerzeugung eingesetzt wurde, das nicht auch heute wieder tun?“
Turmhohe Wasserräder unter Tage
Selbst Welke sei erstaunt, mit welcher Raffinesse die Bergleute damals vorgingen: Über kilometerlange Gräben, die nur ein minimales Gefälle aufwiesen, führten sie das Wasser zu großen Sammelbecken. Von dort leiteten sie es bei Bedarf zu den jeweils aktiven Gruben. Hier ließen sie das kostbare Nass unter Tage auf turmhohe Wasserräder fallen, die ihrerseits wieder Pumpen antrieben. Das seiner Lageenergie beraubte Wasser leiteten sie danach über Dutzende von Kilometern in die Ebene ab. „Das Harzer System der Wassernutzung hätte auf jeden Fall verdient, zum Weltkulturerbe ernannt zu werden“, betont Welke angesichts dieser Ingenieurs-Meisterleistung.
1930 wurden die Gruben im Harz geschlossen. Dennoch war das einmalige Kulturdenkmal bis 1965 noch in einem guten Zustand. Damals hatte die Preussag den Zustand des Grabensystems zum letzten Mal im Detail dokumentiert. „Im Prinzip hätte man es damals ohne größeren Aufwand direkt wieder in Betrieb nehmen können“, meint Welke. Mitte der 90er Jahre gingen die Wassernutzungsrechte in der Region an die Harzwasserwerke GmbH. Im Gegenzug sollten diese das Grabensystem erhalten. Dennoch sind inzwischen zahlreiche Gräben teilweise trocken gefallen oder undicht geworden, wenn sie nicht gar völlig zerstört wurden. An eine Nutzung sei daher momentan ebenso wenig zu denken wie wohl auch an eine Anerkennung als Weltkulturerbe, so Welke.
Mehr zum Thema:
Oberharzer Wasserregal (Artikel bei wikipedia)
Oberharzer Wasserregal – Bergbau und Wasser (Harzwasserwerke)
Das Oberharzer Wasserregal (Harzlife)

Quelle: Universität Bonn
Bild: Ge.Ko2 (allerdings vom Rheinfall Schaffhausen, sorry)
(ENDE) geschichtspuls/13.08.2009/mar

5 thoughts on “Oberharzer Wasserregal: Ökostrom aus frühneuzeitlichem Kraftwerk

  1. Andi Leser

    Die Idee der Energieerzeugung durch alte Mühlräder klingt sehr verlockend. So würden sich Denkmalschutz und Umweltschutz die Hand reichen. Wenn die Strommenge wirklich Millionen an Euros einspielen könnte, wäre die Sache perfekt! Wo sonst kann mit Denkmalschutz Geld verdienen?
    Der Gedanke muss von den zuständigen Stellen unbedingt aufgegriffen und weiter verfolgt werden.
    Vielen Dank übrigens für diesen informativen Artikel. Das Oberharzer Wasseregal war mir bisher nicht bekannt.

  2. Marika

    Eine wirklich geniale Idee, aus dem Wasserrad Energie zu gewinnen. Wäre toll wenn man die Anlage wieder zu laufen bekommt. Wünsche dafür viel Erfolg.
    Liebe Grüße Marika

  3. Hartmann

    Hi,
    ich habe bereits Vorlesungen bei Herrn Dr. Winfried Schenk und Herrn Peter Welke gehabt. Ich muss sagen, dass die beiden Lehrbeauftragten ein Genie sind. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Idee von Herrn
    Dr. Schenk richtig ist. Eine Anlage, die 500 Jahre lang erfolgreich genutzt wurde, kann aus meiner Sicht auch noch heute genutzt werden. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen noch.

  4. daniel

    ließen sich damit Erlöse von mehreren Millionen Euro jährlich erzielen… Das ist ja der Hammer 🙂 Worauf warten? Ist doch super, wenn man die Umwelt schonen und dabei verdienen kann.

  5. Sven

    Ein sehr intressanter Ansatz. Denke sowieso dass sich dem Enegerieproblem nur durch verstärkte Fokussierung auf regionale Aspekte beikommen lässt. Erste zarte Ansätze sind ja schon da: H-Rotoren für den Vorgarten, Solar fürs Dach, Schwarmstrom etc. Es bleibt spannend !

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