"Bezirksamt handlungsunfähig": Als Bürgerrechtsgruppen Stasi-Dienststellen besetzten

By | 3. Dezember 2009

Ab dem 4. Dezember 1989 besetzen Bürgerrechtsgruppen zahlreiche Kreis- und Bezirksämter der Staatssicherheit. Sie wollen damit die Vernichtung und den Abtransport von Stasi-Unterlagen stoppen.

Eine Erklärung des Neuen Forums vom Vortag wird am 4. Dezember in erweiterter Form als Aufruf mehrerer Oppositionsgruppen verteilt. Darin heißt es, Geld werde ins Ausland gebracht, Akten vernichtet und Verantwortliche setzten sich ins Ausland ab. Die Bürger werden aufgerufen, Aktenvernichtungen zu unterbinden, Kontrollgruppen einzusetzen und Kontrollmaßnahmen einzuleiten. Der Aufruf verfehlt seine Wirkung nicht.
In Erfurt versammeln sich schon vor 9 Uhr die ersten Menschen auf Initiative der „Frauen für Veränderung“ vor dem Tor des Bezirksamtes für Staatssicherheit. Eine Radiomeldung am Vormittag über die Verbrennung von Akten mobilisiert die Menschen zusätzlich. Sie blockieren die Eingänge und kontrollieren die Taschen der herauskommenden Stasi-Mitarbeiter. Einige hundert besetzen das Gebäude. Der Leiter des Bezirksamtes, Generalmajor Schwarz, telegrafiert am Abend einen Bericht an die Stasi-Zentrale in Berlin. Im letzten Satz fasst er die Ereignisse zusammen: „Durch die Besetzung der Ein- und Ausgänge des Dienstobjektes ist das Bezirksamt handlungsunfähig.“
Zu finden ist der Bericht des Erfurter Stasi-Chefs auf der Internetseite der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen (BStU): Telegramm des Chefs der Erfurter Staatssicherheit, Generalmajor Schwarz, an den Leiter des AfNS, Generalleutnant Schwanitz „über die gewaltsame Erzwingung des Zutritts oppositioneller Kräfte zum Bezirksamt für nationale Sicherheit Erfurt“.

Quelle: BStU
(ENDE) geschichtspuls/03.12.2009/mar