Hitler für jedermann: Neuauflage von "Mein Kampf" gefordert

By | 2. Mai 2008

Laut deutschem Urheberrecht läuft 70 Jahre nach dem Tod eines Verfassers dessen Schutzfrist aus. 2015 gilt das auch für die Hinterlassenschaften von Adolf Hitler. Dann kann in Deutschland prinzipiell jeder „Mein Kampf“ nachdrucken und zum Kauf anbieten. Und das völlig legal, da der Bundesgerichtshof bereits 1979 gegen ein generelles Verbot von „Mein Kampf“ entschieden hat. Um einer größeren Verbreitung und einem Missbrauch durch Neonazi-Kreise zu begegnen, forderte nun das Kuratorium des Nürnberger Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände eine wissenschaftliche Ausgabe des Buches.
Hitlers 'Mein Kampf' Eine entsprechende Bitte habe das Kuratorium sowohl dem Auswärtigen Amt als auch dem bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein angetragen. Denn bislang verhindert kein Verbot sondern der Freistaat Bayern – der 1946 von der US-Besatzungsmacht mit der Nachlassverwaltung Hitlers beauftragt worden war – konsequent jede historisch-kritische Neuauflage von „Mein Kampf“. Dort sorgt man sich, unterstützt von entsprechenden Bedenken des Auswärtigen Amtes, um das deutsche Ansehen im Ausland. Eine Haltung, die sich kaum nachvollziehen lässt: Denn über das Internet, im benachbarten Ausland oder unterm Ladentisch eines recht beliebigen Antiquariats lässt sich heute mühelos Hitlers „Mein Kampf“ erstehen.
Zu Recht hat daher etwa der Historiker Hans-Ulrich Wehler in einem Deutschlandfunk-Interview den bayrischen Widerstand gegen eine wissenschaftliche Edition des Buches als eine „völlig falsche Tabuisierung“ bezeichnet. Und zu Recht fordert beispielsweise der Landtagsabgeordnete Mathias Brodkorb im ZEIT-Blog Störungsmelder: „Gebt Adolf Hitlers ‚Mein Kampf‘ endlich frei!“ Deutliche Zustimmung zu einem solchen Projekt äußerte auch der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer. „Grundsätzlich bin ich dafür, dass das Buch mit einer Kommentierung öffentlich und sogar noch über den eigentlichen Druck eines normalen Buches hinaus vor allem im Internet zugänglich gemacht wird“, sagte er dem Deutschlandfunk.
Hintergrund: „Mein Kampf“
Adolf Hitler schrieb „Mein Kampf“ 1924 während seiner Inhaftierung in der Festung Landsberg im oberbayerischen Landsberg am Lech. Mit dem Werk strebte er laut Vorwort an, nicht „nur die Ziele unserer Bewegung klarzulegen, sondern auch ein Bild der Entwicklung derselben zu zeichnen“. Bis 1943 gab es davon über 10 Millionen Exemplare in Deutschland, zudem war die „Bibel der Nationalsozialisten“ in 16 Sprachen übersetzt worden. Für mehr Informationen siehe beispielsweise bei wikipedia oder beim DHM-LeMO.


Nachtrag (08.05.2008): Abschließend möchte ich es nicht versäumen, Sie noch auf ein Buch zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte von „Mein Kampf“ hinweisen: Othmar Plöckinger, Geschichte eines Buches: Adolf Hitlers „Mein Kampf“. 1922-1945, München 2006, Oldenbourg, 632 Seiten. Rezensionen hierzu gibt es beispielsweise bei der Zeitschrift für bayrische Landesgeschichte oder auf rezensionen.ch. Laut letzterer hat Plöckinger eine „solide Darstellung auf sehr umfangreicher Quellenbasis vorgelegt“. Teilweise ginge zwar der „Rote Faden“ mal verloren und störten einige Rechtschreibfehler, aber insgesamt gelte: „Wer etwas über ‚Mein Kampf‘ wissen möchte, der wird um Plöckingers Arbeit nicht herumkommen.“ Seinen Ergebnissen werde in Zukunft wohl kaum etwas Neues hinzuzufügen sein. (Das Buch bei amazon.de: Geschichte eines Buches: Adolf Hitlers „Mein Kampf“ 1922-1945)


Nachtrag (21. Mai 2008): Acht-Punkte-Plan für Neuauflage von Hitlers „Mein Kampf“
Nachtrag (28. Mai 2008): Adolf Hitler: Kampf gegen Diktatur eine „Bürgerpflicht“

Quelle: WELT Online, net-tribune, Deutschlandfunk, Störungsmelder
Bild: Erstausgabe von Hitlers „Mein Kampf“, Juli 1925 (Huttenlocher via wikipedia)
(ENDE) geschichtspuls/02.05.2008/mar

3 thoughts on “Hitler für jedermann: Neuauflage von "Mein Kampf" gefordert

  1. Adorno

    bezügl. benachbartes Ausland:
    Da kann ich mich noch gut an einen Kurzurlaub in Tschechien erinnern. Damals (Ende 2006) wurde mir auf einem Markt in einem Nest ,vor Brno sein Kampf für sechs Euro angeboten. Was man alles ertragen muss, nur weil man einen rasierten Kopf ästhetischer findet… 🙂

  2. Pingback: Deutschlandpuls | Deutschlandpuls begrüßt Geschichtspuls

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