Quandt-Preis: Stiller Abgang der Juroren

By | 28. Juli 2008

Seit 1986 werden alljährlich mit dem – mit insgesamt 50.000 Euro dotierten – Herbert-Quandt-Medien-Preis besonders gelungene Medienbeiträge über Unternehmer und Unternehmen in der Marktwirtschaft gewürdigt. Die Auszeichnung wird „im Gedenken an die Persönlichkeit und das Lebenswerk des Unternehmers Dr. Herbert Quandt verliehen„, wie es auf den Internetseiten der Johanna-Quandt-Stiftung heißt. Doch das Lebenswerk weist dunkle Flecken auf, wie spätestens seit der viel diskutierten NDR-Dokumentation „Das Schweigen der Quandts“ aus dem vergangenen Jahr einer breiten Öffentlichkeit bekannt sein dürfte.
Der Film schilderte, wie sehr der 1982 verstorbene Herbert Quandt – der 1940 in den Vorstand der Akkumulatorenfabrik AfA (später Varta AG) eintrat – und dessen Vater Günther während des Dritten Reiches in Aufrüstung und Zwangsarbeit verstrickt waren. Die Quandt-Familie zeigte sich bewegt und beauftragte den Historiker Joachim Scholtyseck (hier im SZ-Interview) mit der Aufarbeitung der Familiengeschichte. Dessen Forschungen sollen drei Jahre dauern. Doch was tun während dieser Zeit mit dem Herbert-Quandt-Preis? Business as usual oder die Auszeichnung weiterer Preisträger zurückstellen, bis das ganze Ausmaß von Herbert Quandts NS-Verstrickungen bekannt sind?

Bei der Johanna-Quandt-Stiftung – auf deren Webseite sich bislang noch kein kritischer Biografie-Vermerk zu Herbert Quandts Agieren während der Zeit des Nationalsozialismus findet – hat man sich für ersteres entschieden und im Juni die diesjährigen Preisträger (.pdf-Datei) gekürt. Doch das lief offenbar alles andere als reibungslos. Wie die „ZEIT“ (via Netzeitung-Altpapier) jetzt berichtete, haben mit Mathias Müller von Blumencron (Chefredakteur des Spiegel), Gabriele Fischer (Chefredakteurin von brand eins) und Christoph Keese (Konzerngeschäftsführer Public Affairs bei Springer) drei Juroren ihre Kuratoriumsmandate bereits im April niedergelegt.
Solange die Ergebnisse der historischen Untersuchung nicht vorliegen, sollte man den Preis nicht weiter verleihen„, begründete Müller von Blumencron gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ seinen Rücktritt. Anders sieht das hingegen Helmut Reitze, Intendant des Hessischen Rundfunks (HR). Er blieb im Gegensatz zu seinen drei Kollegen im Kuratorium. Bis zum Abschluss der Scholtyseck-Untersuchung gibt es für ihn „keinen Grund, hervorragende journalistische Arbeiten nicht mit dem Herbert-Quandt-Medienpreis zu würdigen„.
Rückblick: „Das Schweigen der Quandts“
Die Dokumentation «Das Schweigen der Quandts» wurde von der ARD erstmalig am 30. September 2007 kurz vor Mitternacht ausgestrahlt. Fünf Jahre hatten die beiden NDR-Autoren Eric Friedler und Barbara Siebert für den Film recherchiert, in dem sie auch zahlreiche Zeitzeugen über das Schicksal der Zwangsarbeiter im Quandtschen Afa-Werk zu Wort kommen ließen. Eine Zusammenfassung der Dokumentation und der NS-Verstrickungen der Quandts lässt sich bei Spiegel Online oder beim Handelsblatt nachlesen. Einen Überblick über die Geschichte der Quandt-Familie und ihrer Beteiligungen gibt’s bei wikipedia.de.


Nachtrag vom 1. August 2008: Online-Doku: Das Schweigen der Quandts

Mit Quellen von: Netzeitung, Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online, FAZ, Johanna-Quandt-Stiftung
(ENDE) geschichtspuls/28.07.2008/mar

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