Zementierte Vorurteile: Der "Ossi" in den Medien

By | 2. Februar 2010

Der „Ossi“ bleibt „Ossi“, egal wo er sich aufhält. Beim „Wessi“ ist es anders: „Wessi“ ist man nur solange, wie man sich im Osten aufhält. Zu diesem Ergebnis kommt ein deutsch-österreichisches Team von Wissenschaftlern aus Jena, Leipzig und Wien. Sie haben untersucht, wie Ostdeutschland und die Ostdeutschen in den Medien wahrgenommen werden. Erste Ergebnisse haben sie jetzt in einem Buch veröffentlicht: „Die Ostdeutschen in den Medien. Das Bild von den Anderen nach 1990“.

Danach hat sich am tradierten Bild von den „Ossis“ bis ins zweite Jahrzehnt der deutschen Einheit hinein wenig geändert. „Ostdeutsche werden von Westdeutschen bis heute als fremdartig wahrgenommen“, erklärt der Sozialwissenschaftler Dr. Thomas Ahbe. Sie seien eben „die Anderen“ – und diese Andersartigkeit stabilisiere wiederum westdeutsche Identitäten.
Unterschiedliche Bilder in den Zeitungen
„Natürlich gibt es Unterschiede, jedes Medium entwickelt seinen eigenen Blick“, meint Ahbe weiter. So habe sich beispielsweise bei der „tageszeitung“ das anfänglich wohlwollende Interesse verflüchtigt als klar wurde, dass die ostdeutschen Revolutionäre nicht den Idealen der taz, sondern den Idolen der westdeutschen Konsumgesellschaft folgten. Die taz porträtiere Ostdeutsche häufig als „von der Diktatur deformierte, autoritäre Persönlichkeiten“.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) wiederum kritisiere regelmäßig, dass sich die Ostdeutschen zu wenig mit der Bundesrepublik identifizieren würden. Im F.A.Z.-Diskurs tauchten die Ostdeutschen daher häufig als unbelehrbare Nostalgiker auf, die der Demokratie fernstehen.
Der Osten bei Wirtschaft und Politik eher passiv dargestellt
Der Historiker Rainer Gries verweist zudem darauf, in welchen Zusammenhängen überregionale Medien – statistisch gesehen – Ostdeutschland am häufigsten thematisierten: Innen- und Parteipolitik, Wirtschaftspolitik sowie Geschichte. Bei den Politik- und Wirtschaftsthemen seien ostdeutsche Länder und Regionen zumeist passiv dargestellt: als Objekt politischer Aktivitäten des Westens oder als Empfänger von Zuwendungen. Und im Bereich der Geschichtsthemen dominiere mit Abstand das Problem der „Stasi“ und ihrer Machenschaften.
Die Ergebnisse der Untersuchung werfen ein helles Licht auf den Stand der so genannten inneren Einheit Deutschlands. Denn das Muster, selten oder nie auf Augenhöhe mit Westdeutschen zu sein, gehört nach Ansicht der Wissenschaftler mit zu den prägenden medialen Erfahrungen der Ostdeutschen während der Neunziger Jahre. Dabei erwarteten die Bewohner der neuen Länder längst nicht mehr, dass ihr Leben in bundesweiten Medien angemessen widergespiegelt werde.
In der Folge sei es auch kein Zufall, dass im Osten der Marktanteil der überregionalen Blätter deutlich geringer ist als im Westen. Gewinner seien Medien wie „Super illu“ oder dritte Fernsehprogramme wie der „MDR“, welche die Seele der Ostdeutschen streichelten. Die überregionalen Medien dürften dagegen wohl auf absehbare Zeit bei ihrem angestammten Bild von den Ostdeutschen bleiben. „Alle Zeitungen bedienen die Bedürfnisse ihrer Leser – und diese sitzen mehrheitlich im Westen des Landes“, summiert Gries.
Thomas Ahbe, Rainer Gries, Wolfgang Schmale (Hg.): „Die Ostdeutschen in den Medien. Das Bild von den Anderen nach 1990“, Leipziger Universitätsverlag, 2009, 217 Seiten, Preis: 24 Euro, ISBN: 978-3-86583-391-4.

Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena
(ENDE) geschichtspuls/02.02.2010/mar