In der anhaltenden Diskussion um die Aberkennung offensichtlich zu Unrecht erworbener Doktortitel (Stichwort Plagiate) wird auch mal wieder die Frage aufgeworfen, wie eigentlich mit den zu DDR-Zeiten durch die Offiziere und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (Mfs) erlangten akademischen Titel umgegangen werden soll. Berechtigt beispielsweise eine Promotion über die „Herbeiführung der Aussagebereitschaft von Beschuldigten durch Untersuchungsführer des MfS“ auch heute noch zur Führung eines Doktortitels? Ein Überblick…
Neuerlich losgetreten wurde die Debatte darüber von der Fraktion von Bündnis90/Grüne im Brandenburger Landtag. 25 Jahre nach Mauerfall und Deutscher Einheit will sie über 400 Dissertationen früherer Stasi-Funktionäre untersuchen lassen und hat sich dafür auch schon an die Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen gewandt. Die früher als geheim eingestuften Dissertationen „genügten in keinster Weise den wissenschaftlichen und moralischen Ansprüchen“, wird Grünen-Fraktionschef Axel Vogel in der „taz“ zitiert. Ein Großteil der Dissertation sei in Gemeinschaftsarbeit erstellt worden, manche Werke zudem auch nur wenige Seiten lang. „Das entspricht vielleicht Abiturniveau, berechtigt aber nicht zum Tragen eines Doktortitels“, kritisiert Vogel weiter. Seiner Meinung nach müsse man diese Doktortitel aberkennen – nur gebe es dafür bislang kein Verfahren.
Unterstützung erhalten die Brandenburger Grünen von der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft: „Die Potsdamer Doktortitel wurden für Thesen und Ideen verliehen, welche die Menschenwürde verletzten und beleidigten“, erklärt der Vorsitzende des Dachverbandes, Rainer Wagner. Und auch Hubertus Knabe, Leiter der Gedenkstätte in der ehemaligen Stasi-Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen, hält die Idee für einen „richtigen Vorstoß“. Er verweist jedoch auf rechtliche Probleme: Die frühere Stasi-Hochschule in Potsdam-Golm sei inzwischen aufgelöst und könne den promovierten MfS-Offizieren ihre Doktortitel nicht mehr aberkennen. Zudem behielten DDR-Doktortitel laut dem deutschen Einigungsvertrag von 1990 im vereinigten Deutschland weiter ihre Gültigkeit. Dass dabei die Titel der Stasi übersehen wurden, sei ein „bedauernswerter Fehler“, so Knabe. Grünen-Fraktionschef Vogel räumt daher auch ein, dass eine Aberkennung dieser Titel nur durch den „Bundesgesetzgeber“ in die Wege geleitet werden könne.
Weiterführende Informationen zu den „Stasi-Doktoren“:
- Dr. Stasi – Ein Erbe der DDR (taz)
- Die geheimen Doktoren der Stasi (Thüringer Allgemeine)
- Grüne suchen nach Stasi-Doktoren (rbb)
- Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit in Postdam-Golm (wikipedia-Artikel)
Und noch ein kurzer Nachtrag: Kollege Schmalenstroer weist in seinem Blog ergänzend auf die ähnliche Problematik in der Nachkriegszeit mit dem Führen von Doktortiteln durch zweifelhafte Promotionen in der NS-Zeit hin.
Quelle: siehe Links
(Ende) geschichtspuls/25.08.2014/mar