In der Nacht zum 13. August 1961 um 1.11 Uhr nachts unterbrach der Ost-Berliner Rundfunk seine „Melodien zur Nacht“ für folgende Sondermeldung:
„Die Regierung der Warschauer Vertragsstaaten wenden sich an die Volkskammer und an die Regierung der DDR mit dem Vorschlag, an der Westberliner Grenze eine solche Ordnung einzuführen, durch die der Wühltätigkeit gegen die Länder des sozialistischen Lagers zuverlässig der Weg verlegt und rings um das ganze Gebiet Westberlins eine verlässliche Bewachung gewährleistet wird.“
Westberlin – „Pfahl im Fleische des Ostens“
Mit diesem Schritt reagierte die DDR-Führung auf die seit langem mit wachsender Verärgerung verfolgte „Abstimmung mit den Füßen“, mit der sich die Bürger den kommunistischen Verhältnissen durch Flucht in den Westen entzogen. Zwar war bereits am 9. Mai 1952 – infolge des Beitritts der Bundesrepublik zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) – begonnen worden, die knapp 1.400 Kilometer lange innerdeutsche Grenze in einen „Eiserne Vorhang“ umzubauen. Westberlin mit seinen teilweise nur schwer kontrollierbaren Fluchtmöglichkeiten blieb jedoch ein „Pfahl im Fleische des Ostens“*), der zunehmend zum großen Durchschlupftor wurde.
|
Insgesamt wurden allein in den Jahren von 1950 bis 1961 in den westdeutschen Auffanglagern knapp 2,63 Mio. Flüchtlinge aus der DDR registriert, getrieben insbesondere durch den Wunsch nach einer Verbesserung der persönlichen wirtschaftlichen Lage und sozialen Position, einer Familienzusammenführung oder aufgrund politischer Unzufriedenheit bzw. (vermuteter) politischer Gefährdung. Zusätzliche Brisanz erhielt diese Entwicklung für die DDR durch die hohe Zahl Flüchtender im produktiven Alter zwischen 18 und 65 Jahren und der Angehörigen zahlreicher akademischer Berufe.
In der Nacht vom 12. zum 13. August 1961 riegelten dann Polizei- und Militäreinheiten der DDR in einer minutiös geplanten Aktion die Westsektoren Berlins mit Straßensperren, Stacheldraht, Betonschwellen und durchtrennten Gleisverbindungen ab, bevor am 15. August auf Beschluss des Nationalen Verteidigungsrates mit dem pioniermäßigen Ausbau der Grenzanlagen begonnen wurde.
Argumentation einer Betriebsleitung
Um die Mauerbau-Entscheidung der SED-Führung zu unterstützen, wurde beispielsweise von der Werkleitung des VEB Industriewerke Ludwigsfelde unter anderem beschlossen, im Betriebsfunk ein „wirkungsvolles, kämpferisches und optimistisches Programm“ zu senden und durch die Betriebsredaktion zu Arbeitsbeginn entsprechende Flugblätter verteilen zu lassen. Dazu zählte auch die «Argumentation des Tages», die erstmals am 15. August ausgegeben wurde und die den politischen Standpunkt in unvergleichlicher Art für jeden Arbeiter klar darlegte:
Schwer war der Schlag, den wir den westberliner Menschenhändlern, CIC-Agenten**) und Kriegstreibern versetzten. Überraschend für die Feinde unseres Volkes und des Friedens schlugen wir zu. (…) Wie hart die Faust unserer Arbeiter und Bauern war und wie zielsicher sie traf, können wir an dem Gift- und Gallegeschrei der Brandt-Clique feststellen.
[…]
Seit Jahren haben wir vor dem Agenten- und Spionagewesen und vor dem Menschenhändlertum in Westberlin gewarnt. Seit Jahren haben wir davor gewarnt fortzufahren, mit Hilfe des Wechselkurses Menschen bei uns zu korrumpieren, abzuwerben und das Grenzgängertum zu organisieren.
[…]
Mehr zum Mauerbau:
Von der Volkserhebung zum Mauerbau (Bundeszentrale für politische Bildung)
Chronik der Mauer
13. August 1961: Mauerbau in Berlin (BStU)
Berliner Mauer Online
Zeitzeugen gesucht
Wie haben Sie die Zeit des Mauerbaus 1961 erlebt? Schildern Sie Ihre Erfahrungen doch als Kommentar am Artikelende oder melden Sie sich als Zeitzeuge unter: brendel [at] geschichtspuls.de
*) so Erich Honecker in seinem biografischen Rückblick 1981, S. 202.
**) CIC (Counter Intelligence Corps), militärischer US-Geheimdienst, der 1945 bis 1960 in der amerikanischen Besatzungszone operierte.
Mit Quellen aus meinem Dissertationsprojekt zur Geschichte der VEB Automobilwerke Ludwigsfelde
(ENDE) geschichtspuls/13.08.2008/mar
Wenn ich mich nicht ganz irre, dann gibt es Zitat am Ende des Postings im O-Ton aus einer Sendung des Schwaren Kanals mit Karl Eduard von Schnitzler.
Danke für den Hinweis. Kann mir gut vorstellen, dass die Betriebsredaktion für ihre Argumentation auf abgesegnete Statements zurückgegriffen hat. Muss ich bei Gelegenheit mal nachschauen…
Hier kann man übrigens die Manuskripte zum „Schwarzen Kanal“ nachlesen:
http://sk.dra.de/
Hier die Ausgaben nach dem Mauerbau:
Sondersendung am 13. August 1961
http://dra.orb.de/kanal_pdf/E065-02-04_0001072.pdf
14. August 1961
http://dra.orb.de/kanal_pdf/E065-02-04_0001073.pdf
21. August 1961
http://dra.orb.de/kanal_pdf/E065-02-04_0001074.pdf
28. August 1961
http://dra.orb.de/kanal_pdf/E065-02-04_0001075.pdf