NS-Machtergreifung: 75 Jahre Ermächtigungsgesetz

By | 22. März 2008

Am 23. März 1933 verabschiedete der Reichstag das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“. Das so genannte Ermächtigungsgesetz bildete die rechtliche Grundlage für die Auflösung des demokratischen Rechtsstaats und die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie. Es markierte den formalen Schritt zur Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland.


Für die Verfassungsänderung durch das Ermächtigungsgesetz war eine Zweidrittelmehrheit im Reichstag erforderlich. Die NSDAP schaffte es, die bürgerlichen Parteien auf ihre Seite zu ziehen. Außerdem erzwang sie die Abwesenheit der KPD-Abgeordneten auf Grund von Verhaftung, Ermordung und Flucht. Allein die SPD im Reichstag stimmte gegen das Gesetz. Ihr Abgeordneter Otto Wels hielt dabei die letzte freie Rede im Reichstag. „Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen [an Hitler gerichtet] die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. (…) Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.
Nach dieser parlamentarischen Kapitulation vor Hitler mussten neue Gesetze nicht mehr verfassungskonform sein und die Grundrechte wahren. Sie konnten neben dem verfassungsmäßigen Verfahren auch allein von der Reichsregierung erlassen werden. Die Gültigkeit des Ermächtigungsgesetzes war auf vier Jahre begrenzt, wurde jedoch 1937 und 1939 durch den gleichgeschalteten Reichstag sowie 1943 per Führererlass verlängert.
Als Folge der Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus wurden tragende Prinzipien des bundesdeutschen Rechtsstaats in einer so genannten Ewigkeitsklausel besonders vor Missbrauch geschützt. Die Menschenwürde, das Demokratie-, Bundesstaats-, Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip sowie die Staatsform der Republik sind nach Artikel 79 des Grundgesetzes einer Verfassungsänderung entzogen.


Nachtrag: Der Deutsche Bundestag gedenkt in seiner Sitzung am 10. April der Zerstörung der Demokratie in Deutschland vor 75 Jahren. Dabei wird auch ein Ausschnitt der berühmten Rede des SPD-Reichstagsabgeordneten Otto Wels vom 23. März 1933 abgespielt, in der er sich dem NS-Ermächtigungsgesetz widersetzte.


Links zum Thema
„Wehrlos, aber nicht ehrlos“ – aus der Rede von Otto Wels (WELT Online)
Tondokument: Wels‘ Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes (Friedrich-Ebert-Stiftung)
Biografie von Otto Wels (Deutsches Historisches Museum)
Der parlamentarische Selbstmord (einestages.de)
„Die SPD hat die Ehre der Weimarer Republik gerettet“ – der Historiker Heinrich August Winkler über die Rolle der Parteien zum Ende der Weimarer Republik (einestages.de)

Quelle: Bundesministerium der Justiz, WELT Online
(ENDE) geschichtspuls/22.03.2008/mar