Rückblick zum 60. Jahrestag

Die Berliner Luftbrücke (1948/49)

By | 25. Juni 2008

Am 24. Juni 1948 schloss die Sowjetunion ihre Grenzen zu den Westsektoren Berlins – und eröffnete mit dieser Blockade gleichzeitig „die erste Schlacht“ des beginnenden Kalten Krieges. Finaler Auslöser dazu war die zuvor vollzogene Währungsreform auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik. Wenige Tage danach waren die UdSSR daran gescheitert, die Währungsreform in ihrer Besatzungszone entgegen dem Vier-Mächte-Abkommen auf Gesamt-Berlin anzuwenden. In Reaktion darauf wollte Josef Stalin die alliierten Westmächte durch das Kappen ihrer Versorgungswege nun zur vollständigen Aufgabe ihrer Berlin-Ansprüche treiben.

Luftbrücke: C-47 in Tempelhof
C-47-Maschinen in Tempelhof

Nachdem bereits am 21. Juni 1948 einem Transportzug der Amerikaner die Durchfahrt nach Berlin verwehrt worden war, wurde in der Nacht zum 24. Juni die Stromversorgung durch das in der sowjetischen Besatzungszone gelegene Kraftwerk Golpa-Zschornewitz ausgesetzt. Am nächsten Morgen folgte die Unterbrechung des gesamten Straßen- und Schienenverkehrs sowie der Binnenschifffahrt zwischen Berlin und den Westzonen, wodurch bis dahin täglich 13.500 t Lebensmittel und andere Güter in die aufgeteilte Stadt gebracht worden waren. Der Militärgouverneur der amerikanischen Zone, General Lucius D. Clay, erwog für kurze Zeit einen Durchbruch der Blockade unter dem Schutz militärischer Einheiten. Damit stieß er jedoch beim damaligen US-Präsidenten Harry S. Truman und dem Bündnispartner Großbritannien auf Widerstand, die eine Eskalation bis hin zu einem neuen Krieg befürchteten. Der britische Außenminister schlug stattdessen eine umfassende Luftbrücke zur Versorgung Berlins vor.


Operation „Kleine Luftbrücke“
Erste Erfahrungen mit einem solchen Unternehmen hatte man bereits im April 1948 gemacht, als die Sowjets schon einmal für kurze Zeit die Sektorengrenzen blockiert hatten. Das Ausmaß der Aktion „Kleine Luftbrücke“ war jedoch nicht zu vergleichen mit dem, was nun in Angriff genommen werden musste. Immerhin war allein zur Sicherung der wesentlichsten Grundversorgung der 2,2 Millionen Berliner und der dort stationierten Besatzungsmächte ein täglicher Nachschub von mindestens 2.000 bis 3.500 t nötig. Berechnungen des britischen Air Commodore Rex Waite nach der kleinen Blockade hatten aber gezeigt, dass bei einer erneuten Blockade die Versorgung der eigenen Truppen und auch der Berliner Bevölkerung über eine Luftbrücke möglich wäre.

Lucius D. Clay
US-General Lucius D. Clay

Gestützt auf die britischen Planspiele befahl US-General Clay die versuchsweise Versorgung der Stadt über eine Luftbrücke. Am 26. Juni 1948 landete die erste „C-47 Skytrain“ der US-Luftwaffe im Rahmen der „Operation Vittles“ auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof. Zwei Tage später begann die britische Luftwaffe über den Flugplatz Berlin-Gatow mit ihrer „Operation Plain Fare“.
Anfänglich setzten die Amerikaner nur rund 100 in Europa stationierte Maschinen vom Typ „C-47 Skytrain“ ein. Diese hatten jedoch nur eine Ladekapazität von 3,5 t – zu wenig, um die Versorgung Berlins auch nur annähernd zu gewährleisten. Clay und Air Force-General Curtis LeMay forderten daher den Einsatz der „Douglas C-54 Skymaster“. Als größtes damaliges Transportflugzeug der Air Force konnte eine „C-54“ viermal soviel wie eine „C-47“ transportieren. Bis Anfang Juli 1948 waren gut 300 „Skymasters“ aus Alabama, Hawaii, Texas oder der US-amerikanischen Kanalzone in Panama für die Luftbrücke zusammengezogen worden. Doch auch zusammen mit den britischen Flugzeugen und den nach und nach eintreffenden Maschinen aus Australien, Südafrika und Neuseeland reichte die Transportleistung noch lange nicht aus und musste optimiert werden.
Auf Effizienz getrimmt

William H. Tunner
William H. Tunner

Der Mann für diese Aufgabe kam Ende Juli in Form von General William H. Tunner, der während des Zweiten Weltkrieges die so genannte „Hump“-Luftbrücke (von Indien über den Himalaja nach China) organisiert hatte. Er setzte auf eine nahezu vollständige Standardisierung des Flugbetriebes, um so die Effizienz und Sicherheit zu erhöhen. Dazu zählte ein striktes Einbahnsystem auf den drei jeweils 32 Kilometer breiten Flugkorridoren zwischen Berlin und den Westsektoren. Auf der nördlichen und südlichen Route (von Hamburg bzw. der Rhein-Main Air Base) erfolgten die Flüge nach Berlin, im mittleren Korridor (von Berlin Richtung Hannover) die Rückflüge.
Die Flugzeuge flogen in einem Abstand von drei Minuten in mehreren Ebenen und bei klaren Vorgaben hinsichtlich Kurs, Höhe und Geschwindigkeit. In Reaktion auf den „Schwarzen Freitag“ vom 13. August 1948 – als sich nach einem Unfall auf dem Flugfeld die anfliegenden Flugzeuge über Tempelhof drängten – stand jedem Piloten nur ein Landeversuch zu. Schlug dieser fehl, ging die Maschine sofort auf Rückflugkurs, um sich dann mit frischer Crew erneut auf den Weg nach Berlin zu machen. Während des halbstündigen Aus- und Beladens in Berlin mussten die Mannschaften bei ihren Flugzeugen bleiben, versorgt durch schöne Berlinerinnen in mobilen Snack Bars. Zurück auf den Flugplätzen in den Westzonen war für jedes Flugzeug eine Stunde und vierzig Minuten für Wartungs- und Reparaturarbeiten eingeplant.

Luftbrücke Short Sunderland
Britisches „Short Sunderland“-Flugboot

Die Haupttransportgüter nach Berlin waren Nahrungsmittel, Kohle, Medikamente, Seife, Zeitungen sowie zerlegte Ausrüstungen für den Kraftwerksbau und den Bau des Flughafen Tegels. Am schwierigsten gestaltete sich dabei der Transport der Kohle, die am Ende immerhin rund zwei Drittel der gesamten Frachtmenge ausmachte. Der Kohlestaub trug zur Korrosion von Kabeln und Drähten innerhalb der Flugzeuge bei und führte bei den Crews zu Atemproblemen. Bei den regulären Überprüfungen der Flugzeuge nach 1.000 Flugstunden wurden teilweise Gewichtszunahmen von bis zu 45 Kilogramm festgestellt – verursacht allein durch den Kohlestaub.
Lebensmittel wurden soweit möglich getrocknet transportiert, um Gewicht zu sparen. Für den Transport von Salz, das ebenfalls für Korrosion an Metallteilen sorgte, nutzte man Wasserflugzeuge vom Typ „Short Sunderlands“ mit einer korrosionsbeständigen Hülle. Im Winter wich man bei gefrorener Wasserfläche auf Container aus, die unter die britischen „Handley Page Hastings“-Maschinen gehangen wurden. Die wohl ungewöhnlichste Fracht war sicherlich das Kamel „Clarence“. Das Maskottchen der 86. Jagdflugzeugstaffel der U.S. Air Force wurde im Oktober 1948 nach Berlin geflogen, um dort die Kinder zu unterhalten.
Operation „Little Vittels“

Gail Halvorsen
Gail Halvorsen bindet Süßigkeiten
an kleine Fallschirme

Die wohl rührendste Geschichte rund um die Luftbrücke geht offenbar zurück auf den US-Piloten Gail Halvorsen. Der Amateurfilmer wollte an einem seiner freien Tage ein bisschen mehr von Berlin sehen, als nur den Flughafen. Am Rand des Tempelhofer Flugfeldes traf er eine Gruppe Kinder, denen er mit Süßigkeiten eine Freude machen wollte. Da er nur zwei Streifen Kaugummi in seiner Tasche hatte, versprach er ihnen, bei seinem Flug am nächsten Tag mehr Süßigkeiten abzuwerfen. Damit die Kinder wüssten, auf welche Maschine sie achten sollten, würde er beim Anflug mit den Flügeln wackeln. Halvorsen hielt Wort und warf in der Folgezeit, sofern er konnte, kleine Schokoladentafeln über dem Rand des Flughafens ab, befestigt an zu Fallschirmen umfunktionierten Taschentüchern.
Aus Angst vor Ärger mit seinem Vorgesetzten behielt er sein Tun soweit möglich für sich – bis schließlich eine Zeitung über ihn berichtete und ein Bild seines Flugzeuges samt der der improvisierten Fallschirme brachte. In den Augen von Luftbrücken-Chef Tunner war das genau die öffentlichkeitswirksame Geste, die die „Operation Vittels“ brauchte. So startete „Operation Little Vittels“, an der sich immer mehr Piloten beteiligten. Die über Berlin abgeworfenen Süßigkeiten wurden zusammen mit den kleinen Fallschirmen teilweise sogar eigens aus den USA geliefert.
Das Ende der Blockade
Nachdem die Luftbrücke ihre Verlässlichkeit auch während der Wintermonate bewiesen hatte und am 15./16. April mit knapp 13 t Fracht („Osterparade) ein neuer Transportrekord aufgestellt worden war, beendete die Sowjetunion am 12. Mai 1949 ihre Berlin-Blockade. Um Vorräte anzulegen, wurde die Luftbrücke jedoch darüber hinaus aufrecht erhalten und erst am 30. September 1949 – nach rund 278.000 Flügen und mehr als 2,3 Millionen Tonnen beförderter Fracht – offiziell beendet. Während der Operation verloren 41 Briten, 31 US-Amerikaner und mindestens 6 Deutsche infolge von Flugzeugabstürzen ihr Leben. In Berlin starben zahlreiche Einwohner an Mangelernährung und Krankheit, insbesondere Tuberkulose.




Links zum Thema:
60 Jahre Berliner Luftbrücke (Themen-Special des RBB)
Wie die Sowjetunion Berlin als Geisel nahm (Special der Berliner Morgenpost mit zahlreichen Fotos)
60 Jahre Luftbrücke (Radio on Demand des Hessischen Rundfunks)
Schokolade über Berlin (Pilot Gail Halvorsen erinnert sich)
Erinnerungen von Edzard Reuter (Der Sohn des damaligen Bürgermeisters von Berlin im Podcast-Interview)
Luftbrücken-Museum Faßberg
Stiftung Luftbrückendank (1959 vom damaligen Berliner Bürgermeister Willy Brandt gegründet)

Bilder: US Federal Government, United Kingdom Government (via wikipedia.de)
(ENDE) geschichtspuls/24.06.2008/mar

9 thoughts on “Die Berliner Luftbrücke (1948/49)

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  4. holger

    Vielen Dank für den sehr informativen Artikel. Leider vergessen viele Deutsche heutzutage was das amerikanische ‚Volk damals für uns getan hat. Dabei ist die Luftbrücke mit den amerikanischen Lebenmittel-Lieferungen ja auch nur ein ganz kleiner Teil…

  5. Hannes

    Sehr schön geschriebener Artikel, ich denke der wird meiner Tochter bei der Recherche für ihre Geschichtshausaufgabe sehr helfen!

  6. Marvin

    Dann man viel Erfolg für Deine Tochter… 🙂
    Warum schreibt sie denn eigentlich nix über die Geschichte des Gummibären…?

  7. Hannes

    Vielen Dank! Weil im Geschichtsunterricht leider nicht die Geschichte der Gummibären sondern die der Berliner Luftbrücke dran ist 🙂

  8. Michael Martins

    Meine Familie hat sehr persönliche Erinnerungen an die Luftbrücke. wäre die nicht gewesen, hätte meine Oma nie meinen Opa (damals Navigator bei der US Airforce) kennengelernt 🙂

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