Die Internationale Grüne Woche Berlin zählt zu den traditionsreichsten Berliner Messen und zu den wohl bekanntesten Veranstaltungen in Deutschland überhaupt. Mittlerweile blickt sie auf eine 84-jährige wechselvolle Geschichte zurück. In dieser Zeit hat sich aus einer schlichten lokalen Warenbörse die weltgrößte Verbraucherschau für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau entwickelt. Seit 1926 präsentierten sich 75.100 Aussteller aus 120 Ländern den über 29,7 Millionen Fach- und Privatbesuchern. Am 16. Januar 2010 öffnet die Grüne Woche nun schon zum 75. Mal ihre Pforten – Grund genug für einen Rückblick auf die Geschichte der Grünen Woche.
Gelbe Ähren auf grünem Grund: ab 1935 wurde das von Wilhelm Hölter entworfene Markenzeichen zum Symbol der Grünen Woche. br> |
Begonnen hatte alles mit Lodenmänteln. Als die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) Ende des 19. Jahrhunderts ihre Wintertagungen in Berlin abhielt, bestimmten in auffälliger Weise eine Woche lang grüne Kleidungsstücke das Bild der Stadt. Handwerk und Industrie boten parallel dazu im Tagungsviertel auf offener Straße berufsspezifische Artikel und Verbrauchsgüter an. Der wilde „Handel und Wandel“ nahm immer stärkere Formen an; bald gab es Reit- und Fahrturniere, Kleintierausstellungen, Saatenmärkte und Jagdschauen über ganz Berlin verstreut.
1926: Erste Grüne Woche beendete „wilden Handel“
Das brachte den damals im Berliner Fremdenverkehrsamt arbeitenden Landwirt Hans-Jürgen von Hake auf eine Idee: Warum sollte man nicht die Wintertagung 1926 erstmals mit einer landwirtschaftlichen Ausstellung am Kaiserdamm verknüpfen? Die „Grüne Woche“ – der Begriff selbst wurde wahrscheinlich von Journalisten geprägt – war geboren. Vom 20. bis zum 28. Februar 1926 präsentierten sich die Aussteller und Handwerker erstmals kompakt unter dem Funkturm auf 7.000 Quadratmetern den bereits mehr als 50.000 Besuchern. Größtes Exponat der ersten Schau war ein eisenbereifter Universalschlepper mit 100 PS. Das vier Meter hohe Ungetüm mit übermannsgroßen Rädern galt als ein Zeichen der beginnenden Mechanisierung in der Landwirtschaft.
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Titelbild des Ausstellungskatalogs für die Grüne Woche 1926 |
Hundeschau auf der Grünen Woche 1926 |
Blick in den Ausstellungsbereich „Jagd“, 1926 |
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Zu der damaligen Zeit wurde in der deutschen Reichshauptstadt übrigens selbst noch ein Fünftel des Grund und Bodens für Landwirtschaft und Gartenbau genutzt. Im Berliner Stadtgebiet gab es rund 45.000 Pferde, 25.000 Schweine, 21.000 Milchkühe und mehr als eine halbe Million Stück Geflügel. 200.000 Berliner besaßen einen Kleingarten.
Messe des Fortschritts
Bereits in ihren ersten Jahren konnte die Grüne Woche eine recht rasante Entwicklung verzeichnen. Dazu trugen auch zahlreiche Errungenschaften aus Wissenschaft und Technik bei, die fortan auf der „Grünen Woche“ ihre Premieren feierten. Neuigkeiten wie eine Kannenmelkanlage, ein Raupenschlepper oder leistungsfähigere Getreidesorten bekannter Züchter fanden in den zwanziger und dreißiger Jahren immer großen Zuspruch. Zudem sorgten so manche kuriose Entwicklungen für Aufsehen: So sollte beispielsweise 1928 eine Fußspurmaschine beweisen, dass ein Hund nur der menschlichen Fußspur und nicht dem Geruch nachläuft. Bei der 5. „Grünen Woche“ 1930 wurde eine riesige Eierfrischhaltemaschine präsentiert, in der sich 5.000 Eier im Kreis drehten und auf diese Weise über ein Jahr auf „natürlichem Wege“ frisch gehalten werden sollten.
Neuanfang inmitten der Berlin-Blockade
Bis 1939 fand die Grüne Woche jährlich statt. Einzige Ausnahme war das Jahr 1938, als in Deutschland die Maul- und Klauenseuche grassierte. Nach dem durch den Zweiten Weltkrieg bedingten Ausfall erweckte der Zentralverband der Kleingärtner, Siedler und Boden nutzenden Grundbesitzer im Spätsommer 1948 die „Grüne Woche“ wieder zum Leben. 59 Aussteller präsentierten ihre Exponate dem Berliner Publikum – und das unter wirklich widrigen Umständen. Die drei Westsektoren der Stadt erhielten nämlich nur von 23 bis 1 Uhr sowie von 9 bis 11 Uhr Strom und litten unter der sowjetischen Berlin-Blockade. Versorgungsgüter aller Art mussten über eine Luftbrücke durch die Westalliierten in die geteilte Stadt gebracht werden.
Wenig verwunderlich also, dass in diesen Zeiten des Hungers und Mangels gerade Obst und Gemüse wie eine 3,3 Kilogramm schwere Kastengurke oder ein 40 Kilogramm schwerer Kürbis zu viel bestaunten Anziehungspunkte der Ausstellung wurden. Die Kreuzberger Zuchtsau „Dora“ mit ihren Ferkeln ließ sicherlich so manchen Besucher von Schinken und Speck träumen – denn was derweil tatsächlich an Schinken und Würsten an einigen Ständen aushing, war leider nur aus Pappe.
Internationalisierung in Zeiten der Berliner Mauer
Konrad Adenauer begutachtet den ersten Stand eines holländischen Ausstellers auf der Grünen Woche 1951 |
1951 sorgte ein offensichtlich vorausschauender Aussteller aus Holland mit appetitlichen Gemüsepyramiden beim Publikum für Bewunderung – und eröffnete gleichzeitig die Internationalisierung der Grünen Woche. In den folgenden Jahren nahm die Beteiligung ausländischer Aussteller kontinuierlich zu.
Bis 1961 war die Grüne Woche gerade auch für die Landwirte in der ehemaligen DDR von großer Attraktivität. Zwischen 30 und 50 Prozent der Besucher fanden – trotz erheblicher Behinderungen an den Sektorengrenzen – immer wieder den Weg zur Ausstellung unter dem Berliner Funkturm. Nach dem Mauerbau im August 1961 wollten die Veranstalter die Lebensfähigkeit der Ausstellung erst recht unter Beweis stellen. Sie erhielt 1962 erstmals den Namen „Internationale Grüne Woche“ und stand unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Heinrich Lübke.
Von den 669 Ausstellern stammte fast die Hälfte aus dem Ausland. Insgesamt rund 50 Länder, die meisten aus Westeuropa, sowie die USA, Kanada, Israel, Marokko und Libanon, hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits einen festen Platz gesichert. Über 438.000 Besucher tranken 100.000 Schoppen Wein, aßen 300.000 „Groschenäpfel“ und stärkten sich an 65.000 Portionen Joghurt des Deutschland-Standes. Am Frankreich-Stand wurde sogar der Nachschub knapp: Am Ende waren dort über 54.000 Austern geknackt und geschlürft worden.
Wachstum durch fachliche Schwerpunkte
In den folgenden Jahrzehnten wurde die Internationale Grüne Woche auch fachlich immer bedeutender. Sie basierte zunehmend auf den drei Säulen Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau. Sonderschauen zu aktuellen Themen, Länder-Gemeinschaftsschauen sowie Leistungsschauen einzelner Regionen fanden großen Anklang. Wachsendes Interesse erfuhr auch das fachliche Begleitprogramm mit bis zu 150 Fachveranstaltungen. 1971 wurde das Konzept durch Lehr- und Sonderschauen wie beispielsweise zu EDV und Fischerei, zu Wald und Landschaft erweitert.
Stand in den zwei Jahrzehnten nach dem Weltkrieg die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln noch im Vordergrund, so erfuhr die ästhetische Seite von Essen und Trinken mehr und mehr Beachtung. „Aus der Heimat schmeckt’s am besten“, die Deutsche Wein- und Sektstraße, „Appetit ahoi“ der Fischwirtschaft und immer mehr Blumen legten davon Zeugnis ab. Gleichzeitig verstärkte die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft ihre Bemühungen, den Absatz von Agrarprodukten mit Fachinformationen und -beiträge über die Produktion und Veredlung zu fördern. Davon zeugen wechselnde Sonderschau-Themen wie „Vom Korn zum Brot“, „Vom Nutzen des Waldes“, „Gerste, Hopfen und Malz“, „Käse aus Deutschland“ bis hin zur „Extensiven Tierhaltung“.
Mit der Inbetriebnahme des Internationalen Congress Centrums Berlin (ICC Berlin), das durch ein Brückenbauwerk direkt mit dem Berliner Messegelände verbunden ist, stieg die Anzahl der Messe begleitenden Konferenzen auf über 250 Veranstaltungen bei jeder Grünen Woche an. Weitere Bereicherung erfuhr die Ausstellung 1981 mit dem ersten Internationalen Forum Agrarpolitik, 1982 mit den ersten „Frische Foren“ für empfindliche Agrarprodukte, 1984 mit der ersten MultiServa für Gemeinschaftsverpflegungen und 1986 mit der ersten „Bundesschau Fleischrinder“, später gefolgt von „Schafen“ und „Kaltblutpferden“.
Deutsche Einheit bringt neue Blütezeit
Neue Bundesländer auf der Grünen Woche 1991 |
1990 begann für die Internationale Grüne Woche eine neue Blütezeit. Nach der Vereinigung Deutschlands stand sie wieder allen Besuchern aus dem natürlichen Umland sowie aus den benachbarten Staaten Mittel- und Osteuropas offen. War zunächst aus Zeitgründen manches improvisiert, so demonstrierten ab 1991 auch äußerlich sichtbar die fünf neuen zusammen mit den alten Bundesländern in der ersten gesamtdeutschen Gemeinschaftsschau die Leistungsfähigkeit der Ernährungswirtschaft. Neu in das Ausstellungsprogramm aufgenommen wurden seitdem auch die Produktmärkte für Bier, Milch, Fleisch/Wurst, Tee/Kräuter/Gewürze und Seafood mit internationaler Beteiligung.
Mit dem abgeschlossenen Erweiterungsbau des Berliner Messegeländes auf 160.000 Quadratmeter im Jahr 1999 konnte der landwirtschaftliche Bereich der Grünen Woche um die Segmente Tierzucht und Nachwachsende Rohstoffe erweitert werden. Mit dem neuen Millennium wurde die Grüne Woche konzeptionell durch zukunftsorientierte Themen wie „Grünes Geld“, „Multitalent Holz“ und „Erneuerbare Energien“ ergänzt. Seit 2005 gibt es auch ein offizielles Partnerland bei der Grünen Woche. Tschechien machte den Auftakt, danach folgte Russland 2006 mit einer Spezialitäten-Schau aus nahezu allen Landesregionen von St. Petersburg bis ins ferne Sibirien. Die Niederlande, seit 1951 mit Ausstellern auf der Grünen Woche vertreten, bot als Partnerland 2009 „Qualität von nebenan“.
Jubiläum 2010: 75. Grüne Woche
Vom 15. bis 24. Januar 2010 findet die Internationale Grüne Woche nun zum 75. Mal in ihrer 84-jährigen Geschichte statt. Partnerland der Jubiläumsveranstaltung ist Ungarn, das sich seit 1972 an der mittlerweile von der Messe Berlin GmbH getragenen Ausstellung beteiligt. Insgesamt werden rund 1.600 Aussteller aus über 50 Ländern eine Leistungsschau aus allen Bereichen der Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und des Gartenbaus präsentieren. Zum Auftakt der Messe wird sich das Global Forum for Food and Agriculture – Berlin 2010 mit den Themen „Landwirtschaft und Klimawandel“ sowie „Ernährungssicherung“ beschäftigen.
Weitere Informationen zur Internationale Grüne Woche gibt es auf der Ausstellungs-Homepage, auf Twitter (@gruenewoche), auf Facebook sowie im eigenen YouTube Channel der Internationalen Grünen Woche.
Quelle/Bilder: Messe Berlin GmbH / Grüne Woche
(ENDE) geschichtspuls/15.01.2010/mar
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