Stiftung Warentest: 45 Jahre Orientierung für Verbraucher

By | 8. Dezember 2009

Vor 45 Jahren, am 4. Dezember 1964, wurde die Stiftung Warentest gegründet. In den Zeiten des Wirtschaftswunders sollte sie den Deutschen mit objektiven Testergebnissen die Orientierung im wachsenden Warenangebot erleichtern. Seither haben die Verbraucherschützer rund 85.000 Produkte und 1.600 Dienstleistungen untersucht.

test-Erstausgabe der Stiftung Warentest vom April 1966
„test“-Erstausgabe vom
April 1966: Unschuldige
Augen statt Nähmaschine

Die Idee, Verbrauchern mit Produkttests eine Hilfe für Kaufentscheidungen zu bieten, entstand bereits in den Zwanziger und Dreißiger Jahren in den USA. Zeitschriften wie „Consumer Reports“ oder „Consumers Research Magazine“ werden zu Vorläufern für eine Entwicklung, die in Europa erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges an Bedeutung gewinnt. Nach ersten Versuchen in Schweden, den Niederlanden und Großbritannien beginnt 1959 die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) auch in Deutschland kurzzeitig mit vergleichenden Produktprüfungen. Infolge mangelhafter Veröffentlichung der Testergebnisse bleibt die Resonanz der Verbraucher jedoch verhalten.
1961 geht der Journalist Waldemar Schweitzer mit der Zeitschrift „DM“ an den Start. Auch dank der darin enthaltenen Testberichte wird das Magazin schnell zum Publikumsrenner – innerhalb eines Jahres steigt die verkaufte Auflage auf 400.000 Exemplaren. Allerdings gefährdet die Finanzierung von „DM“ mittels Werbeanzeigen die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des Magazins.
Der „Alte“ gibt den Anstoß
Schließlich ist es Bundeskanzler Konrad Adenauer, der in seiner Regierungserklärung am 9. Oktober 1962 fordert, „möglichst bald die Errichtung einer Körperschaft für neutrale Warentests zu veranlassen“. Es sollen jedoch noch zwei Jahre vergehen, bevor am 16. September 1964 schließlich der Bundestag – gegen den Willen der Unternehmen, die die Verbraucher durch Werbung hinreichend informiert sehen – der Gründung der Stiftung Warentest zustimmt. Diese wird am 4. Dezember 1964 vollzogen. Als unabhängige Verbraucherschutz-Organisation soll sie den Deutschen in den Zeiten des Wirtschaftswunders mit objektiven Testergebnissen die Orientierung im wachsenden Warenangebot erleichtern.
„test“-Titelblätter im Wandel der Zeit

Stiftung Warentest: test Ausgabe Januar 1968
„test“ 01/1968
Stiftung Warentest: test Ausgabe Dezember 1970
„test“ 12/1970
Stiftung Warentest: test Ausgabe Juli 1980
„test“ 07/1980
Stiftung Warentest: test Ausgabe März 1993
„test“ 03/1993
Stiftung Warentest: test Ausgabe August 2002
„test“ 08/2002
Stiftung Warentest: test Ausgabe Mai 2008
„test“ 05/2008
(weitere historische Cover…)



Im April 1966 erscheint die erste Ausgabe der Zeitschrift „DER test“ (heute „test“). In den ersten Ausgaben kommen unter anderem Nähmaschinen, Heizkissen, Autobahnraststätten, Handrührer, Rasensprenger oder „Kochendwasser-Geräte“ auf den Prüfstand. Doch nicht nur diese Produkttests sorgen für Aufmerksamkeit – sondern auch die Gestaltung der Titelblätter. Statt der geprüften Produkte stehen hier anfänglich unschuldig schauende junge Frauen als „Eye-Catcher“ im Mittelpunkt und führen unter anderem zu erregt-amüsanten Diskussionen im Bundestag.
Startschwierigkeiten werden schnell überwunden
Vielleicht ist es gerade diese erhöhte Medienpräsenz, die den Absatz der Zeitschrift anfänglich in die Höhe schnellen lässt. Doch der Erfolg ist in den Anfangsjahren noch nicht nachhaltig – bald hat die Stiftung mit deutlich sinkenden Verkaufszahlen zu kämpfen. Als Reaktion darauf wird der Verkauf von „DER test“ im Einzelhandel vorübergehend eingestellt. Nur Abonnenten und Direktbesteller bekommen das Magazin weiterhin. Diese Praxis ändert sich erst wieder 1971. „Die Stiftung brauchte einige Jahre, bis sie die richtige Gangart fand. Und auch auf Seiten der Verbraucher musste wohl zunächst ein gewisser Lernprozess stattfinden, ehe sie begannen, den Wert der Informationen aus Warentests zu erfassen„, bilanziert dann auch der damalige Bundeswirtschaftsminister Hans Fridrichs in seiner Festrede zum 10. Jubiläum der Stiftung Warentest 1974.
Nach den ersten zehn Jahren erweitert die Stiftung auch ihren Testbereich: Zu den reinen Warentests gesellen sich ab Anfang 1975 ebenfalls Überprüfungen privater und öffentlicher Dienstleistungen. Themen wie Reise und Freizeit, Handel und Kundendienst, Banken und Versicherungen, öffentliche Dienstleistungen oder die Gesundheit gewinnen an Bedeutung. Auf besonderes Interesse bei den Verbrauchern stoßen dabei Untersuchungen über die Angebote von Banken, Bausparkassen, Versicherungen und Altersvorsorge. Die Stiftung entschließt sich daher, 25 Jahre nach ihrer Gründung ein zweites Magazin zu speziell diesen Themen herauszubringen. Nach einer ersten Testauflage im April 1990 erscheint „FINANZtest“ ab Januar 1991 regelmäßig – zuerst alle zwei Monate, ab März 1997 dann monatlich.
Einblicke ins Prüflabor

Stiftung Warentest: Handy-Sprachtest im Labor
Standardisierte Prüfung
der Sprachqualität
eines Handys
Stiftung Warentest: Matratzen-Walze im Labor
Matratzen-Test: eine
140 kg schwere Walze
wird 60.000 Mal über
eine Matratze geführt
Stiftung Warentest: Test von Geschirrspül-Tabs in standardisierten Spuelmaschinen
Test von Geschirrspül-
Tabs in standardisierten
Spülmaschinen
Stiftung Warentest: Saugleistungs-Test bei Staubsaugern
Leistungstest: Wie
gut saugt ein
Staubsauger?
(weitere Labor-Bilder gibt’s hier…)



Wiedervereinigung: Aufklärung für neue Bundesbürger
Eine besondere Herausforderung für die Stiftung Warentest ist auch der Fall der Mauer 1989 und die deutsche Wiedervereinigung. Unter Hochdruck erstellen die Warentester spezielle Infoblätter für die DDR-Bevölkerung, unter anderem über das bundesdeutsche Kaufrecht, Versicherungen oder den Gebrauchtwarenkauf. „test&rat“ heißt ein eigens entwickeltes Magazin, das den Ostdeutschen bis 1994 die Marktwirtschaft erklärt. Gleichzeitig steigt die Auflage von „test“ vorübergehend auf die Rekordhöhe von einer Million Exemplaren.
Heute, 45 Jahre nach ihrer Gründung, liegt die durchschnittliche monatliche Gesamtauflage von „test“ bei 506.000 verkauften Exemplaren (davon 430.000 Abonnenten). „FINANZtest“ verkauft sich im Schnitt 250.000 Mal im Monat (davon 204.000 Abonnenten). Ergänzend zu den beiden Magazinen ist die Stiftung Warentest seit 1997 auch im Internet vertreten. Hier wurden allein für das vergangene Jahr 26,6 Millionen Zugriffe und 815.000 kostenpflichtige Abrufe registriert.
Überblick: Die Stiftung Warentest…

…in ihren Anfängen …und heute
Mitarbeiter (Ende 1965) 54 287
Auflage „test“ 49.625 rd. 506.000
Auflage „FINANZtest“ 226.500 (1991) rd. 250.000
klassische Warentests
(Durchschnitt je Ausgabe)
2 8
getestete Prüfmuster
(Durchschnitt je Ausgabe)
49 201
Prüfkosten
(Durchschnitt je Ausgabe)
36.123 492.250


Unabhängig, anonym, wissenschaftlich
Damals wie heute fühlt sich die Stiftung Warentest auch weiter ihren methodischen Grundsätzen verpflichtet: Produkte werden anonym gekauft, Dienstleistungen unerkannt in Anspruch genommen. Diese werden anschließend nach strengen Regeln und wissenschaftlichen Kriterien durch unabhängige Institute geprüft. Mit welchem Qualitätsurteil – von „sehr gut“ bis „mangelhaft“ – die einzelnen Waren und Dienstleistungen abschneiden, legt wiederum die Stiftung fest.

Auch wenn Anbieter mitunter versuchen, gerichtlich gegen missliebige Qualitätsurteile vorzugehen, ist die Stiftung Warentest nach eigenen Angaben in ihrer 45-jährigen Geschichte noch nie rechtskräftig zu Schadensersatz verurteilt worden. Doch auch die Verbraucherschützer sind vor Pannen nicht gefeit: 2002 musste die Stiftung erstmals in ihrer Geschichte eine Zeitschrift mit Testergebnissen zurückziehen – wegen Fehlern und falschen Qualitätsurteilen bei der Bewertung von Riester- Rentenversicherungen (siehe u.a.: Riesterrente: Stiftung Warentest zieht Heft zurück).
Unabhängigkeit dank staatlicher Finanzierung
Seit ihrer Gründung wird die Stiftung Warentest von ihrer Stifterin, der Bundesrepublik Deutschland, finanziell unterstützt. Ursprünglich war der staatliche Zuschuss auf zwei Millionen D-Mark im Jahr auf fünf Jahre befristet. Danach sollte sich die Stiftung durch den Verkauf ihrer Produkttests selbst finanzieren. Doch das funktioniert nicht ganz: Heute beträgt der Stifter-Zuschuss der Bundesregierung rund 15 Prozent des Gesamtetats der Stiftung Warentest (Zuschuss 2008: sechs Millionen Euro). Dadurch können die Zeitschriften „Test“ und „Finanztest“ frei von Anzeigen bleiben und die Verbraucherschützer ihre Unabhängigkeit wahren.
Weitere Informationen zur Geschichte der Stiftung Warentest:
Kurze Online-Chronik: Es begann mit Rührgeräten und Nähmaschinen (Stiftung Warentest)
Damals und heute: 45 Jahre Stiftung Warentest (Stiftung Warentest, .pdf-Datei)
40 Jahre Stiftung Warentest (ausführlichere Jubiläumspublikation der Stiftung Warentest, .pdf-Datei)
Rost am Blech – einstweilige Verfügung gegen Warentester (Artikel im Spiegel 44/1975)
Stiftung Warentest: Schon ein „befriedigend“ kann richtig teuer werden (FAZ.net)

Quelle/Bilder: Stiftung Warentest
(ENDE) geschichtspuls/08.12.2009/mar

6 thoughts on “Stiftung Warentest: 45 Jahre Orientierung für Verbraucher

  1. Pingback: Stiftung Warentest: 45 Jahre Verbraucherschutz| Verbraucher-Impuls

  2. Jörg

    Wusste gar nicht, dass die Stiftung teilweise mit öffentlichen Mitteln finanziert wird. Aber das macht schon Sinn, wie ich auch gelesen habe.
    Weiß eigentlich jemand, wie das bei Öko-Test aussieht? Sind die auch so halb-staatlich?

  3. Marvin

    Hej Jörg,
    ich zitiere mal aus der Selbstdarstellung von Öko-Test:
    „ÖKO-TEST ist eine Aktiengesellschaft, die heute zu rund 65 Prozent im Besitz der Deutsche Druck und Verlagsgesellschaft DDVG ist. Die DDVG ist ihrerseits die Medienholding der SPD.“ Finanzierung erfolgt danach neben den Magazinen, Ratgebern und Jahrbüchern auch durch Anzeigen.
    nachzulesen auf dieser Seite, ungefähr im Mittelteil:
    http://presse.oekotest.de/cgi/index.cgi?action=about-fragen

  4. Pingback: 45 Jahre Stiftung Warentest | Deutschlandpuls

  5. Harald Klasen

    Danke für diesen schönen Rückblick. Ich bin mit Stiftung Warentest aufgewachsen und kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie sich die Welt ohne orientieren würde. Das ist eine Selbstverständlichkeit wie Aufstehen und Hinlegen. Schon als Kind habe ich in den Jahresheften (gibt es die noch?) gesucht, um von allem nur das Beste zu finden.
    Umso schöner, wenn man dann mal die Historie wie hier zu lesen vor Augen geführt bekommt. Kurz: Danke für den Beitrag und danke an Stiftung Warentest für ein Leben lang Orientierung bei der Suche nach den guten und sehr guten Dingen. 🙂
    glg

  6. Pingback: Stiftung Warentest feiert 45 Jahre “test” | Finanzwertig

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