Im Schwerpunktthema der neuen Ausgabe (Nr. 69) von ‚Horch und Guck – Zeitschrift zur kritischen Aufarbeitung der SED-Diktatur‘ geht es um die Medien in der DDR. Sie sollten gemäß der SED-Klassenkampfrhetorik die „schärfste Waffe der Partei“ sein. Unabhängigkeit war unerwünscht, Parteilichkeit und Staatstreue wurden zur Pflicht eines jeden Journalisten erklärt. Das Schwerpunktthema im Heft 3/2010 zeigt, wie Massenmedien und Zensur im SED-Staat funktioniert haben und wie das untergegangene totalitäre System über seine nur äußerlich gewendeten Protagonisten weit in unsere demokratische Gegenwart hineinwirkt.
Nach der deutschen Vereinigung glaubte man in den bundesdeutschen Medien, nicht auf die Dienste der gewendeten SED-Genossen verzichten zu können – sie galten als Experten für das Publikum-Ost. Trotz Stasi-Skandalen und Entlassungen haben sich etliche ehemalige Kaderjournalisten hochgearbeitet und üben heute einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die öffentliche Meinung aus – eine gefährliche Entwicklung, denn mit solchem Personal wird die Aufarbeitung der jüngsten deutschen Vergangenheit nicht gelingen.
Medienlenkung im SED-Staat
„Nicht das Wort ‚Staatszirkus‘ verwenden …“ lautete eines der Verbote der SED-Medienkontrolleure. Sie fürchteten, dass sich das Volk mit diesem Begriff über ihren Staat lustig machen könnte. In der neuen ‚Horch und Guck‘-Ausgabe beschreibt der Historiker Gunter Holzweißig, wie das kommunistische Verständnis der Medien als Propagandamaschine in der DDR umgesetzt und immer weiter perfektioniert wurde. Dabei zeige das SED-System der Medienlenkung deutliche Ähnlichkeiten zu dem des Dritten Reiches.
Ein weiterer Aspekt ist die Zensur der Kirchenzeitungen und die Behinderungen kirchlicher Publikationen. Alle evangelischen Kirchenzeitungen in der DDR kamen zusammengenommen auf eine Auflage von 150.000 Exemplaren – viel zu wenig bei rund acht Millionen evangelischen Christen. Der Theologe und Publizist Ehrhart Neubert fasst zusammen, mit welchen Mitteln die SED die kirchliche Publizistik bekämpfte – von direkter Zensur der Zeitungen über Limitierungen bei den Papierzuteilungen bis hin zum Einsatz von Stasi-IM in Redaktionen und Verlagen.
Der schwierige Umgang mit dem DDR-Sportjournalismus
DDR-Sportjournalisten waren eine besondere Gruppe: Anlässlich internationaler Sportveranstaltungen durften sie öfter als andere ins westliche Ausland reisen. Ein Privileg, das mit besonderer Linientreue erarbeitet werden musste – nicht wenige Sportreporter spitzelten daher für die Stasi. Nach 1989 profitierten sie von ihren engen Kontakten zu den DDR-Sportgrößen und erhielten teils gutbezahlte Redakteursposten. Der Publizist Thomas Purschke gibt einen Einblick in die Stasiverstrickungen der ehemaligen DDR-Sportjournalisten und den schwierigen Umgang mit dem SED-Erbe in diesem Bereich.
Oppositionelles Radio in der DDR
Freitag, 31. Oktober 1986, 22 Uhr. In den Ost-Berliner Innenstadtbezirken hatten viele Menschen ihr Radio auf die Frequenz 99,2 MHz eingestellt. Dort wo es sonst nur Rauschen gab, meldete sich plötzlich ein illegaler Radiosender mit einer halbstündigen Sendung, produziert in Ost-Berlin und ausgestrahlt von einem West-Berliner Dachboden in Grenznähe. ‚Horch und Guck‘-Redakteur Peter Grimm erzählt die spannende Geschichte der ostdeutschen Radiomacher.
Ein weiterer Aspekt des Schwerpunktthemas ist die Zensur sowjetischer Belletristik in der DDR. Die Sowjetliteratur galt – wie viele ideologische und politische Vorgaben aus dem sozialistischen Machtzentrum – eigentlich als richtungweisend für die kleineren Bruderländer. Daher verwundert es um so mehr, wenn selbst Bücher, die durch die sowjetische Zensur bereits genehmigt waren, in der DDR nicht erscheinen durften. Die Kulturgeschichtlerin Ann-Kathrin Reichardt beleuchtet das noch weitgehend unbeachtet gebliebene Thema und rekonstruiert die DDR-Zensur anhand von Beispielen.
Niemals IM und doch Zuträger der Stasi
Neben dem Schwerpunktthema über die Medien in der DDR werden in der neuen ‚Horch und Guck‘-Ausgabe noch verschiedene weitere Themen behandelt. Dabei geht es unter anderem um Rückschläge und Verhinderungen der geschichtlichen Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Russland und Polen, den jüngst verstorbenen DDR-Oppositionellen Bernd Eisenfeld sowie um die so genannten Auskunftspersonen in der DDR. Diese waren keine inoffiziellen Mitarbeiter des MfS, haben aber dennoch gespitzelt. Bereitwillig und ohne Skrupel haben die „ganz normalen“ DDR-Bürger offenbar ausplauderten, was die Stasi über Nachbarn, Kollegen und Freunde wissen wollte. Erschreckend ist die große Zahl der Amateurspitzel: In der MfS-Auskunftspersonendatei (AKP) der Stadt Rostock sind ca. 46.000 Personen verzeichnet – Rostock hatte 1988 254.000 Einwohner. In ‚Horch und Guck‘ geht Christian Booß der Frage nach, ob das ohnehin schon groteske Bild vom „Spitzelstaat DDR“ als immer noch zu harmlos gelten muss.
Mehr zur Ausgabe 69 gibt es auch auf den Internetseiten von ‚Horch und Guck‘: www.horch-und-guck.info.
Quelle: Horch & Guck (Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)
(Ende) geschichtspuls/23.09.2010/mar