Welche Ziele hat die Stasi der DDR mit der Ausspähung bundesdeutscher Hochschulen und der Bespitzelung ihrer Mitarbeiter verfolgt? Und welche Informationen flossen durch „West-IM“ von westdeutschen Hochschulen in die DDR? Diese Fragen wollen Historiker im Projekt „Spionage an der Universität. Wirken und Einfluss des Ministeriums für Staatssicherheit an westdeutschen Hochschulen (1971–1989)“ ergründen.
Im Visier der Untersuchung stehen vier Hochschulen: Neben der federführenden Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) sind es die Universitäten in Bremen, Kassel und Kiel. Sie waren – wie auch andere Universitäten im Bundesgebiet – aus unterschiedlichen Gründen für die Auslandsspionage des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) bedeutsam. Die WWU stand demnach besonders wegen der Ausbildung zukünftiger Leistungsträger und wegen Rekrutierungsmöglichkeiten weiterer potenzieller IM im Blick. An der Universität Kiel interessierte man sich besonders für die wirtschafts- und politikberatenden Fragen, wie sie am Institut für Weltwirtschaft und dem Institut für Sicherheitspolitik diskutiert wurden. Die Universitäten Bremen und Kassel wiederum zeichneten sich durch ihre Nähe zu Rüstungsbetrieben und mögliche Ziele für Militärspionage aus. Zudem bot die hoch politisierte Studierendenschaft ganz allgemein gute Möglichkeiten für die Rekrutierung von Spitzeln sowie einen regen Informationsaustausch.
Das von 2015 bis 2018 laufende Forschungsprojekt ist federführend am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angesiedelt. Es wird dort begleitet von Prof. Großbölting und Dr. Sabine Kittel. Ziel der beiden Wissenschaftler ist es, die Aktivitäten der DDR-Staatssicherheit vor dem Hintergrund der jeweiligen Entwicklung der beteiligten Universitäten zu analysieren. Dabei wollen sie unter anderem herausfinden, welche Möglichkeiten die Stasi zur aktiven Beeinflussung von Universitäten jenseits der Mauer hatte und was die West-IM eigentlich antrieb. „Auf dem kleinen Feld der Forschungen zur Stasi-Westarbeit sind die Universitäten bisher noch gar nicht im Fokus gewesen“, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Thomas Großbölting. Mit der neuen Untersuchung erhoffe er sich, einen weiteren Beitrag zur Rekonstruktion des Verhältnisses beider deutscher Staaten zu leisten.
Weitere Informationen:
- Profil: Professor Dr. Thomas Großbölting (Universität Münster)
- „Überlegungen zur Staatssicherheit der DDR an Westuniversitäten“ (Artikel zum Projekt von Sabine Kittel im Deutschland Archiv)
Quelle: Westfälische Wilhelms-Universität Münster
(Ende) geschichtspuls/09.02.2015/mar