Am 28. Juli 1914 begann der Erste Weltkrieg mit der Kriegserklärung Österreichs an Serbien. Wenige Tage später befahl auch Kaiser Wilhelm II. die Mobilmachung des Deutschen Reiches. Bei meiner Arbeit als Historiker bin ich mal wieder auf einige Zeitungsberichte aus dieser Zeit gestoßen, die ich im Folgenden auszugsweise wiedergeben will. Sie verdeutlichen unter anderem, wie unschuldig sich das deutsche Volk in den Krieg getrieben sah, aber auch mit welcher Siegeszuversicht und Begeisterung der Kriegsbeginn aufgenommen wurde.
Dieser Beitrag ist Teil einer kleinen Serie über den Ersten Weltkrieg:
1. – Der Erste Weltkrieg 1914-1918
2. – Erster Weltkrieg: Der Kriegsbeginn in der Zeitung, Teil I
3. – Erster Weltkrieg: Der Kriegsbeginn in der Zeitung, Teil II
4. – Erster Weltkrieg: Der Kriegsbeginn in der Zeitung, Teil III
5. – Materialsammlung: Informationen zum Ersten Weltkrieg im Internet (in Vorbereitung)
Bitte beachten: Die (unkommentierten) ausschnittsweisen Zeitungsauszüge sollen als Zeitdokumente einen Einblick geben in die Propaganda und die Stimmung im Deutschen Reich zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Keinesfalls können sie die nachträgliche historische Betrachtung der Ereignisse und ihre komplexe Einordnung ersetzen. Hierfür sei als erster Einstieg die Online-Darstellung des Deutschen Historischen Museums sowie der umfangreiche wikipedia-Artikel empfohlen.
Der Fürstenmord in Sarajewo.
»Tiefste Bestürzung und lähmendes Entsetzen liegt auf den Nationen. Der Verbrecher von Serajewo, entsprungen aus dem giftig brodelnden Sumpf politischer Leidenschaft, riss nicht allein den Thronfolger der österreichisch-ungarischen Monarchie mitten aus schaffensvollem Leben, vernichtete nicht allein neben ihm die geliebte Gemahlin und Mutter dreier unmündiger Kinder, sondern hob auch mit seiner verfluchten Hand den Vorhang, der zeitweilig das drohende Feuer der Balkanwirren den Augen entzieht. Nun stehen die Völker mit Grausen da und werden sich wieder bewusst, wie tückisch dort im Südosten Europas das Ungetier lauert, um zur gegebenen Zeit den ganzen Weltteil in Brand und Vernichtung zu stürzen…«
(Tageblatt für Thale am Harz und Umgegend, Mittwoch, 31. Juni 1914)
Europas Schicksalsstunde…
(…titelte das Thalenser Tageblatt nach dem von Serbien abgelehnten Ultimatum am 28. Juli 1914)
»Ein Krieg zwischen Österreich und Serbien, anscheinend ein kleines Feuerchen, das uns weltfern, in Wirklichkeit ein Brand, der auch unser Haus bedroht, ja der zum Weltenbrande emporlodern kann. Österreich mit Serbien im Kriege, Serbien vielleicht im Rücken von dem rachsüchtigen Bulgarien bedrängt, das bedingt eine Unterstützung von Seiten Rußlands. Schon wird in Petersburg genau so mit dem Säbel gerasselt wie in Wien, und in dem Falle ruft uns die Bündnispflicht an Österreichs Seite, Frankreich und vielleicht auch England an die Seite Russlands. Dann haben wir den europäischen Krieg, einen Kampf aller gegen alle. Was bleibt noch ruhig: die skandinavischen Reiche, Holland, Belgien, Spanien, Portugal. Italien, wer weiß? Die Balkanstaaten gewiss nicht. Europa starrt in Waffen und Ströme Blutes tränken die Erde. Ein trübes, trauriges Zukunftsbild.«
(Tageblatt für Thale am Harz und Umgegend, Dienstag, 28. Juli 1914)
Krieg! Mobil!
»Zwei kurze inhaltsschwere Worte. Am Freitag Nachmittag blieben alle privaten, noch so dringenden Depeschen rund zwei Stunden liegen, damit bis in das letzte Gebirgsdörfchen hinein der Staatstelegraph zunächst die beiden Worte brächte. Aber auch da zögerte noch der deutsche Friedenskaiser einen letzten Moment. Nicht die Mobilmachung wurde sofort auf die Nachricht von der allgemeinen russischen Mobilisierung hin befohlen, sondern vorerst nur der Kriegszustand über das Reichsgebiet erklärt: eine Art Vorläufer der Mobilmachung. Noch in dieser Minute hätte Russland zurückgekonnt. Aber das Zarenreich macht sich in seiner Verblendung zum Verbündeten der serbischen Königsmörder, will ihre Bestrafung durch Österreich-Ungarn verhindern, entfesselt den fürchterlichsten Weltbrand aller Zeiten.
‚Krieg! Mobil!‘: das bedeutet einen Ozean von Blut und Tränen. Aber wir müssen hindurch. Einbruchsbereit stehen an unseren Grenzen fertig mobilisierte russische Reiterheere, wie einst die mongolischen Geschwader, deren Ansturm gegen die Kultur Europas sich bei Liegnitz an deutschen Rittern brach. Heute haben wir dieselbe Aufgabe. Die verbündeten der Bombenwerfer von Sarajewo wollen ihre Schandherrschaft über das gesittete Mitteleuropa ausdehnen, wollen Österreich und uns in die Knie zwingen.«
(Tageblatt für Thale am Harz und Umgegend, Sonntag, 2. August 1914)
Ansprache des Kaisers.
»Um halb sieben Uhr erschien der Kaiser mit der Kaiserin und dem Prinzen Adalbert auf dem Balkon der Lustgartenseite des Schlosses und erwiderte auf die stürmischen Huldigungen der Menge:
‚Eine schwere Stunde ist heute über Deutschland hereingebrochen. Neider überall zwingen uns zu gerechter Verteidigung. Man drückt uns das Schwert in die Hand. Ich hoffe, dass ich das Schwert mit Gottes Hilfe so führen kann, dass ich es mit Ehren wieder in die Scheide stecken kann. Enorme Opfer an Gut und Blut wird der Krieg von uns erfordern. Den Gegnern aber werden wir zeigen was es heißt, Deutschland in so niederträchtiger Weise zu reizen. Und nun empfehle ich Euch Gott. Jetzt geht in die Kirche, kniet nieder vor Gott und bittet ihn um Hilfe für unser braves Heer!‘
Diese Worte des Kaisers versetzten die Zuhörer in eine unsagbare Bewegung, die sich in erneuten, nicht zu schildernden Zurufen löste. Dann sang die Menge entblößten Hauptes die ‚Wacht am Rhein‚.«
(Tageblatt für Thale am Harz und Umgegend, Sonntag, 2. August 1914 – Bericht aus Berlin vom 31. Juli 1914)
Der Krieg.
»1. August nachmittags 5 Uhr 15 Minuten. Der Kaiser hat soeben die Mobilmachung der gesamten deutschen Streitkräfte angeordnet.
Die eisernen Würfel rollen! Die russische Herausforderung hat den bis zum letzten Augenblick bewiesenen Friedenswillen zur Seite geschoben: Die Tore sind dem Krieg geöffnet. Wir haben den grausen Gast nicht gerufen. Nun ist er da, und findet uns gerüstet. Nicht in wilder Kampfbegier, sondern in felsenfester Ruhe. Wir schützen unser Recht, wir streiten für unser Land. Wir sind bis zum Äußersten gegangen, um unsere Friedensliebe zu beweisen. Wir werden bis zum letzten Atemzug kämpfen, um den Feind, der uns heimtückisch anfällt, von unseren Grenzen abzuwehren. Wir vertrauen auf die Kraft unseres Heeres, auf die Tüchtigkeit seiner Führer. Wir vertrauen auf den Opfermut des deutschen Volkes, das sich in den schwersten Prüfungen siegreich bewährt hat. Mit gläubigem Herzen blicken wir empor zum Lenker der Schlachten droben, der uns so oft schon gnädig geführt. Deutschlands Banner fliegen. Mögen sie unsere Krieger zum Siege führen! Mit voller Kraft gegen Russland ist die Losung! Ein historischer Moment.«
(Tagesanzeiger für Thale a.H. und Umgebung, vom 4. August 1914)
(Weiter zum Überblicksartikel Erster Weltkrieg oder zur historischen Presseschau Teil 2 und Teil 3.)
Quelle: Stadtarchiv Thale, Tagesanzeiger für Thale a.H. und Umgegend Juli/August 1914
(ENDE) geschichtspuls/31.07.2009/mar