Mit einer Protestaktion hat die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) anlässlich des 70. Jahrestages der Reichspogromnacht am 9. November 2008 auf das Raubkunst-Dilemma bei der Stiftung Leopold aufmerksam gemacht. Absperrbänder mit der Aufschrift „Raubkunst Tatort“ versperrten kurzfristig den Zutritt zum gleichnamigen Wiener Museum. Plakate mit Kunstwerken, deren Eigentumsverhältnisse strittig sind, forderten in Anlehnung an offizielle Fahndungsposter auf, die Restitution zu unterstützen.
Aktion „Raubkunst Tatort“ |
Hintergrund ist der Beschluss des Kunstrückgabegesetzes 1998. Es regelt die Restitution von NS-Raubkunst in den österreichischen Bundesmuseen. Hiervon ausgenommen ist das als Stiftung geführte Museum Leopold. Obwohl vom Bund errichtet und finanziert, ist es nicht zur Rückgabe gestohlener Kunstwerke verpflichtet – ein Umstand, der unter anderem von der IKG unermüdlich kritisiert wird.
Anfang des Jahres 2008 hat die Israelitische Kultusgemeinde ein Rechtsgutachten des renommierten Verfassungsexperten Walter Berka vorgelegt. Dieses stellt zwar klar, dass das Leopold Museum die Rechtsform einer Privatstiftung habe. Jedoch werde die Stiftung „vom Bund maßgeblich finanziert, er beherrscht sie in organisatorischer Hinsicht und allfällige Vermögenseinbußen treffen letztlich den Bund als den durch die Stiftung Letztbegünstigten.“ Aus verfassungsrechtlicher Sicht gebe es somit keine Bedenken, das Kunstrückgabegesetz auf die Leopold Museum Privatstiftung auszudehnen.
Fahndungsplakat auf raubkunst.at (.pdf) |
„Die Tatsache, dass die Leopoldstiftung eine Privatstiftung ist, entlässt die Republik Österreich nicht aus ihrer Verantwortung“, argumentiert der Nationalrats-Abgeordnete Wolfgang Zinggl. Immerhin subventioniere der Staat das Museum allein 2008 mit 3,7 Millionen Euro, stelle die Hälfte des Stiftungsvorstandes und stelle auch das Museumsgebäude zur Verfügung. „Das gierige Nicht-loslassen-Können unrechtmäßig erworbenen Eigentums ist dem Stiftungszweck der Sammlung wenig zuträglich“, so Zinggl weiter.
Von Seiten der Leopold-Stiftung wird unter anderem auf die Stiftungssatzung verwiesen. In ihr sei ein Erhalt der Sammlung festgeschrieben, erklärte Andreas Nödl, Anwalt und Vorstandsmitglied der Leopold-Stiftung. Zudem müssten die Bemühungen Rudolf Leopolds berücksichtigt werden, größter österreichischer Kunst ihren Platz in der Kunstgeschichte einzuräumen, ihren Marktwert zu steigern und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
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Quelle: Israelitische Kultusgemeinde Wien, zudem siehe Links
Bild: Israelitische Kultusgemeinde Wien / anwora.com
(ENDE) geschichtspuls/10.11.2008/mar